Medienfassade am BraWoPark mit neuen Videoarbeiten
Die Medienfassade auf dem Dach des Business Center 1 im BraWoPark nahe des Braunschweiger Hauptbahnhofs zeigt zehn neue Videoarbeiten von Studierenden und Absolvent*innen der HBK Braunschweig.
Seit mittlerweile zwölf Jahren kooperieren die Volksbank BRAWO und die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig im Rahmen eines gemeinsamen Wettbewerbs. Jährlich sind Studierende und Ehemalige der Kunsthochschule aufgerufen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen, eine Jury wählt insgesamt zehn Videoarbeiten der Künstler*innen aus, die dann auf der Medienfassade des Business Center 1 des BraWoParks gezeigt werden. In diesem Jahr wählte die Jury Arbeiten von Domingos de Barros Octaviano, Juraj Cernák, Paula A. Knust Rosales, Luis Kürschner, Takashi Kunimoto, Carlotta Oppermann, Marven Louis Rabe, Jette Noa Reuter, Enrica Schiffer und Alexa Zahradnikova aus. Ihre Videoarbeiten sind jeweils dienstags und donnerstags tagsüber auf der 150 Quadratmeter großen Medienfassade mit insgesamt etwa 350.000 Leuchtdioden zu sehen. Die Gewinner*innen erhalten je ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro.
An den übrigen Tagen sind weitere Arbeiten aus den zurückliegenden zehn Wettbewerbsjahren zu sehen. 122 Arbeiten wurden seit 2013 ausgewählt.
Die Jury bildeten in diesem Jahr Carsten Ueberschär (Volksbank BRAWO, Leiter der Direktion Braunschweig), Savannah Gemballa (ebenfalls Volksbank BRAWO, Marketing), Dr. Ulf Hilger (Stadt Braunschweig, Kulturinstitut) sowie von der HBK Braunschweig Rolf Pilarsky und Prof. Övül Durmusoglu (Institut Freie Kunst).
Die einzelnen Arbeiten in der Übersicht
Domingos de Barros Octaviano: Gesellschaftlicher Stoff
Wir alle gehören derselben Gesellschaft an, sei es als Ausländer, als Deutsche, unabhängig von Geschlecht, Gender Identifikation und Hautfarbe. Die Mischung verschiedener kultureller Hintergründe und die Vielfalt innerhalb einer Gesellschaft ist ein unweigerlicher Teil des gesellschaftlichen Stoffes. Das Video zeigt einen Zug, der Menschen diverser Farben (dargestellt in abstrakter Form) trägt. Je weiter die Ausschnitte herauszoomen, merkt man, dass der Stoff von Menschen gemacht ist und nur gemeinsam ein stabiles Netzwerk bildet.
Juraj Cernák: 100LilBuds
Eine ästhetische Anlehnung an 2D Pixelgrafik, alte Sony/Sega Spiele...so begreift sich die Arbeit „LilBuds“, die durch den NFT Boom 2021 zum Leben erweckt worden ist. 100 kleine Pixeltierchen, die nur ihr Outfit, ihre Farbe und ihren Hintergrund wechseln.
Gleich in der Form, keine Farbe ist verboten, es ist die Farbe, die Oberfläche und die Symbolik, das was uns verbindet, das was uns unterscheidet und dort wo man merkt, es ist das Gleiche. Einsamkeit und Verbundenheit werden sichtbar?
Ein Tierchen unterscheidet sich vom Rest. Finden Sie heraus, welches es ist? So ist die 9-Kanal-Installation nicht nur Projektionsfläche, sondern auch ein Spiel von „Findet den Unterschied“.
Paula A. Knust Rosales: CAN I COME WITH YOU? :-)
„CAN I COME WITH YOU? :-)“ zeigt eine Textarbeit, die Erfahrungen aus dem öffentlichen Raum referiert. Catcalling ist eine Form der verbalen sexuellen Belästigung, die meist von Männern gegenüber Frauen* ausgeht.
Aus dem Kontext gerissen, wirken die Fragen und Aussagen im Video zunächst nett und wohlwollend und spielen mit der Zweideutigkeit, die durch die Verortung am Bahnhof und der städtischen Umgebung gegeben ist. Smileys und andere Symbole transportieren verschiedene Emotionen und tragen zum Aufbau der Wahrnehmung von Unwohlsein und Penetranz bei. Erst ein längeres Verweilen und Beobachten ermöglicht den vielschichtigen Inhalt in seiner Gänze zu verstehen.
Luis Kürschner: A Shark in my Apartment
Zu seiner Arbeit sagt Luis Kürschner: „Ein Hai schwebt durch meine Wohnung, ferngesteuert aus dem Off. Das Video entstand in einer Zeit, die wir meist zu Hause verbrachten. Da war also diese Wohnung, in der ich lebte und in der auch er lebte. Da waren ihre Fluchten, ihre Wände, Fenster und Türen. Da war ihr Licht. Je länger ich sie bewohnte, desto klarer wurde mir: sie selbst verweilt ohne jegliche Kenntnis von Vergangenheit und Zukunft. Alles in ihr ist gefasst in monolithischer Gegenwart. Ein Zustand des permanenten Transits. In ihr verwandelte sich innen zu außen, Privates zu Öffentlichem, Mensch zu Tier und Materie zu Geist. Da war also diese Wohnung. In ihr ein Mensch und ein Hai. Und eine Kamera.“
Takashi Kunimoto: Play ball
Fünfzehn Leute spielen Ball-Fangen. Sie werfen den Ball und fangen den Ball. Sie sind unterschiedlich in Aussehen, Geschlecht, Alter und kulturellem Hintergrund. Jede*r steht an einer anderen Braunschweiger Straßenecke. Jede*r wirft den Ball und weiß nicht, wohin er fliegen wird. Manchmal wird der Ball von einem Nachbarn gefangen, manchmal von jemandem, der weit weg ist. Manchmal kollidieren die geworfenen Bälle. Die rhythmische Kommunikation der Bälle überschreitet Grenzen.
Carlotta Oppermann: push&pull
„push&pull“ zeigt zwei Körper, die in permanenter Bewegung, einer rätselhaften Choreografie zu folgen scheinen. Zwischen ihnen bewegt sich ein Rollbrett, auch ‚Hund‘ genannt, auf dem ein Findling platziert ist. Körper und Rollbrett bewegen sich über die Rahmen der einzelnen Bildflächen hinaus. Sie scheinen durch das Gebäude zu schweben. Die Video-Aufnahme aus der Vogelperspektive spielt mit dem Gefühl der Schwerelosigkeit.
Marven Rabe: wedding-cake-smash
Im Video „wedding-cake-smash“ begegnen sich monströse Hochzeitstorten im leeren Raum. Sie fressen sich gegenseitig, drehen sich und stellen so Größenverhältnisse, feste Abläufe und Binäritäten in Frage. Als Inspiration für diese Arbeit dienten unzählige Videos auf Social Media mit dem #WEDDINGCAKESMASH. In den Beispielen, die für die Recherche dieses Videos herangezogen wurden, endet das Kuchen-füttern meistens darin, dass die Ehemänner den Kuchen brutal in das Gesicht ihrer Frau pressen, sie zu Boden drücken oder mit Kuchenstücken bewerfen. Diese Arbeit thematisiert, wie grundlegend Gewalt und Misogynie in vielen vermeintlich festlichen Ritualen unserer Gesellschaft verankert sind.
Jette Noa Reuter: IDeal 24
Die Videoarbeit „IDeal 24“ hinterfragt den Umgang mit biometrischen Passbildern durch die spielerische Überlagerung von Zeichnung und Text. Ein Identifikationsbild wird zum Porträt. Über die persönliche Ebene hinaus wagt die Arbeit den Versuch, mit den am BraWoPark vorbeigehenden Passant*innen in Kontakt zu treten, wenn auch auf Distanz. Gepaart mit dem Portrait der Künstlerin wird das Private ins Öffentliche getragen und ein Dialog zwischen Künstlerin, Arbeit und Betrachter*in kann entstehen. Inspiriert von Witz, Ironie und Satire als psychische Überlebensstrategien wird hier das Erkenntnispotenzial des Humors sowohl auf persönlicher als auch auf politischer Ebene genutzt.
Enrica Schiffer: Braunschweig: Das 8bit Adventure
„Braunschweig: Das 8bit Adventure“ verbindet die nostalgische Ästhetik von 8bit-Animationen mit dem spielerischen Erlebnis eines Adventure Games im Eindruck eines gezeigten Game-Plays, um die Stadt Braunschweig auf eine einzigartige Weise darzustellen. Zentrale Figur dieser Game-Narration ist der Braunschweiger Löwe, der zum Leben erweckt wird, und sich in verschiedene 8bit-Variationen transformiert. Durch die Verbindung von 8bit-Ästhetik, Abenteuerspiel und Stadtexploration entsteht eine innovative, ansprechende Kunstform, die die Vielseitigkeit und Schönheit Braunschweigs auf unkonventionelle Weise präsentiert. Ganz unverschleiert im Featurette (Remix-Prinzip) dient das Werk dem medialen Phänomen „Retromania“, das mit vergangenen medialen, (pop)kulturell-wertvollen Ästhetiken, sprich, der technologischen Nostalgie spielt.
Alexa Zahradnikova: Der Traum vom Fliegen
Zu ihrer Arbeit sagt Alexa Zahradnikova: „Vor 50 Jahren zeichnete mein verstorbener Großvater seine Wünsche, fliegen zu können, auf: Bunte Vögel, die auf 16mm Film über einen blaugemalten Himmel ziehen. Heute fordern sie mich zu einem künstlerischen Zwiegespräch auf. Ich erschaffe reale, spielbare Puppen als Gegenstücke zu den Figuren meines Großvaters. Sie begegnen seinen, indem ich beide ins Digitale umsetze. So tauschen wir Ideen aus, entwickeln sie weiter und lassen sie im Braunschweiger Himmel fliegen.“