Critical Computing. Mit Relationen rechnen
Komputation – das Berechnen durch Algorithmisierung – ist die Voraussetzung dafür, dass Computernetzwerke funktionieren und Daten fließen. Aber Komputation ist auch ein Beziehungsgefüge, das mehr tut als zu klassifizieren und zu formalisieren, zu berechnen und dann abzuarbeiten. Ihre Effekte sind heute in digitalen Infrastrukturen, Plattformen Sozialer Medien und Programmverbünden mit Künstlicher Intelligenz zu sehen, und dort zeichnen sich asymmetrische Machtverhältnisse ab, die entlang klassierender, rassifizierender und vergeschlechtender Achsen der Ungleichheit entstehen.
Unter dem Titel der Kritischen Komputation werden situiert-relationale Ansätze versammelt, die nach den Politiken der Lebensweisen mit und durch Komputation fragen, in diese forschend oder künstlerisch intervenieren und für andere (onto-)epistemische, ästhetische und soziotechnische Komputationen öffnen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Komputation kein Fließdiagramm, sondern ein Beziehungsgefüge ist und dass Relationalität und Nichtkalkulierbares ihre Möglichkeitsbedingungen sind. Wie wirken Affekte, Begehren und Fiktionen mit in den Transmissionen der soziotechnischen Gefüge? Welche extraktiven Logiken stellen den Flow erst sicher, und wie zirkuliert Ungerechtigkeit?
Der Workshop bringt Analysen verschiedener Praktiken, die sich mit, durch und für Komputation vollziehen, zusammen, die es erlauben kritisch-generative (Helen Verran) Theorien zu entwickeln – d. h. an der (Um)Gestaltung von Beziehungen mitzuwirken, die für weniger gewalttätige Formen des Zusammenlebens und Sterbens verantwortlich sein können. Es stellt sich die Frage, welche materiellen, konzeptuellen und imaginären Gefüge Komputation als adressierbares Phänomen realisieren, als auch wie und was dabei ver- und entbunden wird. Von Relationalität und Gefügen zu sprechen ebnet nicht die Machtstrukturen ein, in denen sich die Komputationen vollziehen. Verteilte Verantwortung löst sie nicht auf, sondern adressiert mehr beteiligte Instanzen. Wo Helen Verran von doing numbers (Verzahlung) spricht, fragen wir nach doing computation, nach Theorien und Praktiken rechnenden Weltmachens – statt nach der alten Schönen neuen Welt nach wirklich schönen Welten.
Organisation: Irina Raskin, Prof. Dr. Ulrike Bergermann, Eric Kaula, HBK Braunschweig
Termin: 27.06. ab 13:30 Uhr, 28.06. ab 9:30 Uhr
Ort: HBK Braunschweig, MOGI (Anm.: ursprünglich in der Aula geplant), Johannes-Selenka-Platz 1, 38118 Braunschweig
Eintritt: frei
Anmeldung: Um Anmeldung wird gebeten bis zum 23.06.2024 unter i.raskin@hbk-bs.de
Der Veranstaltungsraum ist weitgehend barrierefrei. Ein Raum für Kinderbetreuung steht zur Verfügung. Abstimmung/Bedarfsanmeldung bitte unter o. g. E-Mailadresse.
Programm
Donnerstag, 27.06.2024
13:30–14 Uhr: Begrüßung und Einführung
Irina Raskin und Prof. Dr. Ulrike Bergermann (HBK Braunschweig)
14–15:30 Uhr: Panel: Techno-Politiken des Kollektiven
Dr. Andrea Vetter (BTU Cottbus): Imperiale/konviviale Technik
Dr. Katia Schwerzmann (Ruhr-Universität Bochum): Von ‚outliers‘ zu ‚edge cases‘: Machine Learnings Umgang mit Minderheitenpositionen
Moderation: Dr. des. Nina Franz (HBK Braunschweig)
15:30–16 Uhr: Pause
16–17:15 Uhr: Breathing Data. The Art of Self-Quantification
Cornelia Sollfrank (PhD) (Berlin/ZHdK)
Moderation: Prof. Dr. Ulrike Bergermann (HBK Braunschweig)
17:15–17:30 Uhr: Pause
17:30–18:45 Uhr: Eine relationale Kritik von Algorithmen
Prof. Dr. Tobias Matzner (Universität Paderborn)
Moderation: Prof. Dr. Rolf F. Nohr (HBK Braunschweig)
Freitag, 28.06.2024
09:30–11 Uhr: Panel: (Re-)orienting quantification. Datafizierung und Datenwerte
Goda Klumbytė (Universität Kassel): Diagrams, Transpositions, Implicated Futures: Some Strategies for Critical Technical Practice
Dr. Ingmar Lippert (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Verantwortlich für Verzahlung interessieren
Moderation: Irina Raskin (HBK Braunschweig)
11–11:30 Uhr: Pause
11:30–13 Uhr: Panel: Worlding und Affektivität
Prof. Dr. Katrin Köppert (HGB Leipzig): Digital Blackface und memetischer Affekt
Nelly Yaa Pinkrah (Technische Universität Dresden): ‚Exceeding all measure‘. Mit Édouard Glissants ‚Relation‘ Berechnung (Computation) denken
Moderation: Dr. des. Francis Wagner (HBK Braunschweig)
13–14 Uhr: Mittagspause
14–15 Uhr: Prof. Dr. Ana Teixeira Pinto (HBK Braunschweig): Extinction and AI
Moderation: Prof. Dr. Jiré Emine Gözen (University of Europe for Applied Sciences, Campus Berlin)